Frauenfeindliches Recht aus der Nazizeit findet immer Freunde
Am 24. November 2017 kommt es vor dem Amtsgericht Gießen zum Prozess um den § 219a StGB. Die Angeklagte Kristina Hänel hat eine breite Unterstützer*innenschaft hinter sich. Über 100 000 Menschen haben ihre Petition auf der Internetplattform change.org bereits unterzeichnet. Zu den Prozessbegleiterinnen gehört auch die Linkenpolitikerin Cornelia Möhring: „Der §219a muss aus dem Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen werden – für das Recht auf Informationsfreiheit und Selbstbestimmung von Frauen.“ Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat am 22.11. 2017 einen Gesetzentwurf zur Streichung des §219a StGB eingebracht (Drucksachennummer 19/93).
Die Abschaffung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch (StGB). fordern unter anderem auch der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) und der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB). In ihrer gemeinsamen Pressemitteilung vom 23.11. 2017 weisen die Organisationen daraufhin, dass die Zahl der Strafanzeigen wegen des Vorwurfs der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB) stetig zunimmt, und damit der Versuch die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten zu kriminalisieren.
Abtreibungsgegner haben so ein Meinungsmonopol im Internet aufbauen können. Der Straftatbestand des § 219a StGB wurde im Mai 1933 als § 219 RStGB in das Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen.
In der Pressemitteilung der beiden Organisationen vom 23.11.2017 heißt es:
„Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Dienstleistung für Frauen in einer Notlage. Darüber müssen Ärztinnen und Ärzte öffentlich sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt zu sehen“, so die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria Wersig. Die derzeitige Rechtslage führe dazu, so der Vorstand des DÄB ergänzend, dass ungewollt schwangere Frauen sich über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs in ihrer Region nur extrem schwer informieren können, weil bereits sachliche öffentliche Informationen als strafbar angesehen werden. Ihr Recht auf freie Arztwahl werde so unzumutbar eingeschränkt.
Zu den rechtlichen Hintergründen: Die Bundesländer sind gemäß § 13 Abs. 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz verpflichtet, ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. Will sich eine ungewollt schwangere Frau jedoch über dieses Angebot informieren, steht sie vor erheblichen Schwierigkeiten.
Arztpraxen und Kliniken, welche Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, können darüber nicht öffentlich (z.B. auf ihrer Website) informieren. Hintergrund ist, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nicht im Recht der medizinischen Dienstleistungen geregelt ist, sondern im Strafgesetzbuch. Dieses enthält auch ein spezielles Arztstrafrecht, darunter ein „Werbeverbot“ in § 219a StGB. Dessen Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn jemand „öffentlich“ und „seines Vermögensvorteils wegen“ „eigene oder fremde Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs“ anbietet. Bei Ärztinnen und Ärzten, die von ihren medizinischen Dienstleistungen leben, sieht die herrschende juristische Meinung den Beweggrund des eigenen Vermögensvorteils in der Regel als gegeben an.
Pressekontakt
Deutscher Ärztinnenbund e.V. (DÄB) :
Gundel Köbke ● Pressereferentin des DÄB ● Tel.: 0170 5518055 ● presse@aerztinnenbund.de
Deutscher Juristinnenbund e.V.(djb):
Irmela Regenbogen ● Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ● Tel.: 030-4432700 ● geschaeftsstelle@djb.de