70 Jahre VR China

Das was gerade in Hongkong geschieht, ist der verzweifelte Kampf westlich-orientierter Chinesen um ihr Stückchen vom Glück. Sie wollen nicht unter die digitale Knute der „Prinzlinge“ fallen. Der „Westen“ macht daraus einen Kampf um Menschen- und Bürgerrechte – alles richtig. Allerdings wenn in Europa um Bürgerrechte und Menschenrechte gekämpft wird, dann wird auf alles draufgehauen, was sich zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Dann wird nie dagewesene Gewalt gegen die eigene Bevölkerung angewendet -vor allem im Zusammenhang mit den G20 Treffen. Da wird aus dem Kampf um Bürgerrechte plötzlich schwerer Landfriedensbruch. Da wird weder vor Rechtsbeugung noch vor dem digitalen Pranger zurückgeschreckt  – egal ob in Hamburg oder in Biarritz.
Der Bayerische Rundfunk gab mir zwei Mal Gelegenheit, mich mit chinesischer Geschichte zu beschäftigen: am 4 Februar 2013 wurde meine Sendung zum Boxeraufstand ausgestrahlt und am 15.7. 2013 mein Feature über die Kulturrevolution. Manuskripte können über die Homepage von br Wissen heruntergeladen werden.
Ende des 19. Jahrhunderts stand China unmittelbar davor, in Kolonien aufgeteilt zu werden: Das Deutsche Reich hatte 1897 die Kiautschou Bucht erobert, Großbritannien erhob Anspruch auf das Jangtse-Tal, Frankreich auf den Süden, Russland auf den Norden und Japan auf die Küstenprovinzen. Ausländische Unternehmen wetteiferten in der Ausbeutung der Bodenschätze. Handwerk und Transportwesen der Einheimischen waren der europäischen Konkurrenz nicht gewachsen. Zusätzlich vernichteten Dürren und Überschwemmungen die Lebensgrundlagen der Bauern. Für die notleidenden Volksmassen standen die Schuldigen für die Misere fest: Die Fremden. Es kam zu Aufständen und Revolten. Geheimbünde organisierten sich. Einer dieser Geheimbünde war der Yijetuan – die Vereinigung der Fäuste für Gerechtigkeit und Harmonie: die Boxer.
Sie sollten gegen bourgeoise Ideen kämpfen und gegen alles Althergebrachte: die Roten Garden. Millionen Oberschüler und Studierende beiderlei Geschlechts zogen im ersten Jahr der Kulturrevolution plündernd durch Chinas großen Städte. Zuerst traf es Lehrer und Professoren, dann unter der Parole – „Bombardiert das Hauptquartier!“ – Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas. Gleichzeitig genossen die Jugendlichen ein nie da gewesenes Maß an Freiheit in den 10 Jahren der Kulturrevolution von 1966 – 1976. Sie war Maos letzter Versuch, sein ideologisches Erbe zu retten: seinen Traum von der egalitären Gesellschaft.