Am frühen Vormittag rumpelten und ratterten einige Hundert Trecker durch unser Dorf. „No Farm – no Food“ war eine ihrer Parolen. Da es hier auf der Geest eigentlich keine Biohöfe gibt sondern nur konventionelle, war klar, dass nicht für sondern gegen eine Agrarwende demonstriert wurde – wie im Rest der Republik: für mehr Gülle auf den Feldern – also die weitere Vergiftung des Trinkwassers, gegen mehr Tier- und Naturschutz, gegen artgerechte Tierhaltung und für mehr Insektensterben und gegen Vogelschutz. Bei uns wird z.B. noch nicht einmal die Heuwiese in Ruhe gelassen. Aus Heuwiesen werden Grünacker, aus dem Gras wird kein Heu für Heumilch gemacht, sondern Silage. Silage ist effektiver, man hat weniger Arbeit und weniger Verluste, erklärte mir unlängst einer dieser modernen Bauern. Die Milch, die auf diese Weise erzeugt wird, ist nährstoffärmer. Das wissen auch die Bauern. Das macht aber nichts, wenn am Ende aus ihr sowieso nur rechteckiger Plastik-Käse wird. Solche Produkte braucht kein Mensch! In Bayern bekommen die Milchkühe sogar nur Maissilage zu fressen – das ist noch ungesünder und minderwertiger als Grassilage.
Und da der Deibel und die EU immer auf den größten Haufen kacken, bekommen die Großgrundbesitzer auch das meiste Geld von der EU. Zehntausende – zu meist im November. Da lassen sich dann auch mal z.B. neue benzinschluckende Autos anschaffen, wie den VW Tiguan, der hier oben gern von den Großbauern gefahren wird.
Die anderen Bauern, die mir sympathischer sind, versammeln sich heute in Straßburg vor dem EU-Parlament unter der Parole: „Good Food – Good Farming!“
Vor dem Parlamentsgebäude machen TeilnehmerInnen aus 15 europäischen Ländern deutlich: Mit den Fördergeldern aus der EU-Agrarpolitik (GAP) müssen künftig kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe fit für die Agrarwende gemacht werden. Klar ist: Die pauschalen Flächensubventionen sind nicht mehr zeitgemäß. Die 60 Milliarden Euro pro Jahr, über deren Neuverteilung die EU gerade verhandelt, müssen den Bauernhöfen Anreize für mehr Tier-, Umwelt- und Klimaschutz bieten. Statt die Bauern bei den wichtigen Zukunftsaufgaben weiter im Stich zu lassen, muss die Politik ihnen finanziell unter die Arme greifen.
Saskia Richartz, Sprecherin des Bündnisses „Wir haben es satt!“ sagt: Frau Klöckner und Frau von der Leyen, sorgen Sie dafür, dass der Agrarindustrie ein für alle Mal der Geldhahn zugedreht wird. Enkeltaugliche Agrarpolitik heißt: Fördergelder nur noch für bäuerliche Betriebe, die Umwelt und Klima schützen, Tiere artgerecht halten und gutes Essen für uns alle herstellen!“
weiter heißt es in der Pressemitteilung von „Wir haben es satt“: „Gemeinsam mit unseren französischen Berufskollegen fordern wir heute von der EU eine Agrarpolitik für bäuerliche Betriebe, die unsere wirtschaftliche Existenz sichert. Statt weiter mit EU-Subventionen die Agrarindustrie zu fördern, muss die Politik endlich bäuerliche Leistungen für Klima-, Arten-, Tier- und Umweltschutz gerecht und zielgerichtet honorieren. Sonst verlieren wir massiv kleine und mittlere Betriebe, die gutes Essen produzieren. Das ist sozial, ökonomisch und ökologisch untragbar. Deshalb protestieren überall in Europa viele Bäuerinnen und Bauern.“ Sagt z.B. Wolfgang Hees, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Baden-Württemberg.
Die Demonstration war bereits am Morgen auf deutscher Seite in Kehl gestartet. Bauern aus Frankreich und Deutschland führten mit ihren Traktoren den Demonstrationszug ins Straßburger Zentrum an. Angekommen am EU-Parlament übergaben die Demonstranten ihre Forderungen an die Parlamentarier und machten mit einem „Die-In“ auf die alarmierende Lage von Landwirtschaft, Umwelt und Klima aufmerksam.
Hintergrund:
Initiiert wurde die Demonstration von dem französischen Bündnis „Pour une autre PAC“ (dt. Für eine andere GAP) und dem „Wir haben es satt!“-Bündnis, die auf beiden Seiten des Rheins für den Umbau der Landwirtschaft eintreten. Sie findet im Rahmen des #GoodFoodGoodFarming-Aktionsmonats statt, während dem es rund 100 Aktivitäten in 22 europäischen Ländern gibt.