Hasankeyf versinkt

Vor ungefähr 14 Jahren war ich mit einigen Kolleginnen im Osten der Türkei auf Recherchereise. Wir wurden – wie damals alle westlichen JournalistInnen auch in eine kleine Stadt am Tigris geführt: nach Hasankeyf. Die Stadt liegt im Flusstal begrenzt durch eine hohe Steilwand, in der sich antike Wohnhöhlen befinden.

Hasankeyf im Tigristal

Dieses alles sollte – wie mit ausladender Handbewegung gezeigt wurde – überflutet werden und in einem Stausee versinken. Unserer türkischen Kollegin war besonders wichtig, dass wir Westlerinnen begriffen, was da geplant war. Denn die Gelder  für das Projekt „Ilisu-Staudamm“ kam zum großen Teil aus Deutschland. Dieser Geldsegen konnte tatsächlich gestoppt werden. 2008 zogen sich die westlichen Finanziers zurück. Das führte allerdings nur zu einer zeitlichen Verzögerung, denn die türkische Regierung interessierte es nicht, was da alles auf nimmer Wiedersehen überflutet wird.

Einzelne Denkmäler (u.a. die Erisk-Moschee und das Grabmal von Zeynel Bey)  wurden in den Archeo-Park umgesiedelt, der Rest versinkt zur Zeit. Da das obere Tigristal zum sogenannten fruchtbaren Halbmond gehört, durften ArchäologInnen auf Grund des internationalen Protests sogenannte Rettungsgrabungen durchführen, bei denen dann dem Letzten klar werden musste, dass hier einmalige zivilisationsgeschichtliche Spuren vernichtet werden. Im sogenannten fruchtbaren Halbmond fand die die neolithische Revolution statt, der Übergang der Menschheit von umherziehenden JägerInnen zum niedergelassenen Ackerbauern im 12. vorchristlichen Jahrtausend. Allerdings hatte man bislang angenommen, dass der Übergang radikal war und die Bauern erst im 6. vorchristlichen Jahrtausend begannen Tiere zu züchten. Im Überflutungsgebiet des Ilisu-Stausees wurden nun die frühesten und nördlichsten Spuren von niedergelassenen Viehzüchtern gefunden. Eine archäologische Sensation.
Aber der Staudamm ist fertig und der Tigris wird in den nächsten Jahren eine Fläche von rund 300 Quadratkilometern überfluten. Gleichzeitig wird sich die Dürre in den südlicheren Gegenden z.B. im Irak verstärken, da der Tigris nur noch geringe Wassermengen führen wird.