9. November

Am 9. November ist viel Geschichte gemacht worden: 1848 wurde Robert Blum hingerichtet. Er hat für die Demokratie gekämpft und schon damals gab es viele, die das nicht gut fanden. 1918 wurde die Republik ausgerufen und auch das fanden viele gar nicht gut. 1923 versuchte ein gewisser Herr Hitler sich an die Macht zu putschen. Das fanden ebenfalls viele nicht gut und vereitelten mit einem Generalstreik die Pläne der Faschisten. Dann war  ihnen aber doch die Macht übergeben worden und 1938 bekamen vor allem jüdische Menschen in der Reichspogromnacht zu spüren, was es heißt, wenn der rechte Mob von der Leine gelassen wird. Und dann sind wir schon 1989 als die Ostler die Mauer zu Fall brachten. Das fanden viele zuerst ganz gut, mit der Zeit werden es immer weniger. Und auch hier geht es um die Frage Demokratie oder Faschismus.
Ich weiß noch genau, was ich am Donnerstag, den 9.11.1989 abends gemacht hab. Es begann nämlich das jährliche Herbsttreffen der Frauen in den Medien. Und wir West-Berlinerinnen hatten das erste Mal Kolleginnen von Funk und Fernsehen der DDR eingeladen und einige durften kommen d.h. ausreisen. Nachts fiel dann die Mauer und eine Kollegin trag ihre Tochter in Westberlin – und war fassungslos. Wir saßen nämlich Kreuzberg im Hotel und empfingen die Gästinnen aus allen Sendeanstalten plus ORF und SRG und verfolgten keine Nachrichten. Irgendwann sickerte die Meldung auch zu uns durch und auf dem Nachhauseweg sah ich dann auch die Leute im Bereich der Grenze hin- und herwabern. Meine Mitbewohnerin hatte schon mal die neue Reisefreiheit angetestet und war über die Heinrich Heine Straße in den Osten gegangen. Das fand sie aber irgendwie gruselig und kam schnell wieder in den Westen zurück. Immerhin waren wir mit der Nummer „verschwinden in Sibirien“ sozialisiert und so schnell legt man sowas nicht ab.
Am nächsten Morgen kamen die Westberlinerinnen schon nicht mehr vollständig zum Treffen und wenn dann sahen  sie ziemlich verpennt aus: die ersten Brüder und Schwestern waren nämlich schon mal zu Besuch gekommen.
Eine inhaltliche Arbeit konnten wir vergessen bei diesem unvergesslichen Medientreffen. Denn viele Reporterinnen mussten arbeiten. So nah dran und dann noch in Berlin – das musste natürlich wahrgenommen werden. Meine OstlerInnen kamen erst in der 2. Nacht.  Da stand ich aber auf der Mauer am Brandenburger Tor. Wir waren nämlich der Meinung nun müsse sofort auch das Tor aufgemacht werden. Es war eine unglaubliche Stimmung: alle waren irgendwie vereint, es wurde einem auf die Mauer geholfen, es meckerte niemand, es kam niemand zu Schaden – und das in Berlin!  Dann kam ich so gegen zwei nachts nach Hause und da saßen sie – meine Ostler. So kam ich zu denen, die am 3. Tag mit kleinen Augen zum Treffen in den Sender kamen.
Aber an dem Wochenende ging nichts mehr. Die Bahnsteige der U-Bahnen waren gesteckt voll mit Menschen, die Straßen verstopft, überall Trabbis – waren ja auch nicht zu über“riechen“. Naja und dann kehrte doch der ordentliche Alltag wieder ein mit Ausweiskontrolle etc. Aber die Mauer war weg und man konnte, wann man wollte in den Osten. Und die Ostler in den Westen. Und wir wohnten an der Mauer und bekamen die Kämpfe zwischen Ostlern und Türken um die letzten Süßigkeiten bei Aldi mit.  Nach dem Motto: das habt ihr jetzt lange genug gehabt, jetzt sind wir dran! Tja und heute raunt es immer noch: wir sind zu kurz gekommen, wir sind jetzt dran: Bei 40% AFD wird das wohl nichts anderes bedeuten als Faschismus ja – Demokratie nein. Wer weiß wie lange das neue 33 noch zu verhindern ist.