Ausgerechnet Puritanismus

Die momentane Debatte um das Ausmaß sexueller Belästigung wird manchen Leuten offensichtlich lästig: unter anderem prominenten, französischen Schauspielerinnen und der Berliner Philosophin Svenja Flaßpöhler. Sie beschwor letztens auf „3-Sat“ das  „immergrüne“ Bild vom Puritanismus herauf. Den Vorwurf des Puritanismus ausgerechnet Frauen entgegen zu halten, die sich dagegen wehren, wenn Männer z.B. in ihrer Gegenwart den Schwanz aus der Hose holen und onanieren – wie es sich wohl Harvey Weinstein zu einer liebgewordenen  Gewohnheit gemacht haben soll, hat schon was.  Letztlich ist das Exhibitionismus und der ist eigentlich verboten und es hat sich bisher auch noch keine Frau – auch nicht Frau Flaßpöhler – darüber aufgeregt, dass es verboten ist. Wenn Frauen gegen Anzüglichkeiten, Angrapschereien oder andere sexuelle Übergriffe z.B. in Form von „MeToo“ diese alltäglichen Verhaltensweisen öffentlich machen, dann zementieren sie angeblich ihre Opferrolle oder schlimmer noch: sie machen sich klein und hilflos und schlüpfen in die Kinderrolle!

Je nun, kann ich da nur aufstöhnen. Frauen sollen sich also wehren. Ja, aber wie denn? In dem sie allzeit bereit sind dem Mann vor ihnen oder hinter ihnen eine in die Fresse zu hauen, in die Eier zutreten, wenn sie ihnen zu nahe kommen? Wie werden Frauen denn dann wohl tituliert von solchen Schlaubergerinnen wie Frau Flaßpöhler? Ich war im Berufsleben immer durch mein Mikrofon geschützt. Allerdings gab es auch bei mir eine Situation, in der meine körperliche Integrität verletzt wurde:

Ein älterer, freier Kollege haute mir in einer Sitzungspause auf meinen Hintern. Ich war so perplex, dass ich außer einem „bösen“ Blick nichts zu Wege brachte. Da wir uns nach diesem Vorfall immer mal wieder trafen, hat er letztlich seine Tat über viele, viele Jahre gebüßt. Ich bin nämlich nachtragend. Irgendwann wollte er sich dann wieder mit mir vertragen. Leider war er  bei diesem Gespräch nicht in der Lage, sein Verhalten zu erklären. Es hätte mich schon interessiert, was jemanden dazu bringt, ’ner Frau auf den Hintern zu hauen. Ein Flirtversuch war es jedenfalls nicht – diese Ausrede hat er bei seinen hilflosen Erklärungsversuchen nie benutzt. Mir hat sich diese Situation eingebrannt und ich würde nie fragen, warum hast Du Dich nicht gewehrt? Diese Frage hat nämlich letztlich nur ein Ziel: sie soll das Opfer daran hindern, die Verletzung der körperlichen Integrität öffentlich zu machen – wie z.B. mit #Aufschrei oder #metoo.
Und das ist auch der Grund, warum zur Verteidigung sexueller Gewalt seit 20 Jahren das Bild des Puritanismus gewählt wird. Wer will schon puritanisch sein?  Wobei doch zumindest einer Philosophin klar sein müsste, dass Frauen sich mit Hilfe des #metoo gerade gegen die Bigotterie u.a. im Puritanismus zur Wehr setzen. Denn dort steht die Verweigerung sexueller Dienstleistungen am Mann sogar unter Strafe.