Rot-grüne Missetaten

Zu den besonders finsteren Kapiteln der Regierungszeit von Schröder/Fischer zählt die Geschichte  von Murat Kurnaz. Er war 2002 in Pakistan festgenommen worden und in das berüchtigte us-Folterlager Guantanamo gebracht worden. Viele europäische Staaten bemühten sich damals ihre Staatsangehörigen aus dem Lager rauszuholen – nicht so die damalige Bundesregierung. Die CIA soll sogar 2002 angefragt haben, ob man den Bremer Kurnaz wieder haben will. Und allen voran – unser ach so toller Bundespräsident – Steinmeier soll das abgelehnt haben. Diese Ablehnung von „höchster Stelle“ untermalt von der Hatz in den entsprechenden Medien, hat Murat Kurnaz 4,5 Jahre Lagerhaft eingebracht: mit Schlafentzug, immer mit Fußfesseln rumkriechen, Kopfhörern, rotem Overall und was es sonst noch so in solchen Folterlager gibt. Heute sitzen seit über 20 Jahren immer noch 39 Männer dort, die auch nicht von ihren Regierungen zurückgewollt werden. Präsident Obama wollte Guantanamo schließen. Das ist ihm in der Zeit von 2009 bis 2017 nicht gelungen. Trump war der Laden egal. Präsident Biden will nun das Lager schließen. Von einer Haftentschädigung ist weder von deutscher noch von US-Seite je die Rede gewesen.
Und das Kapitel wäre auch nicht wieder hochgekocht, wenn nicht Andreas Dresen endlich einen Dreh gefunden hätte, die Geschichte mehrheitstauglich und politisch zugleich zu erzählen. Der Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ steht oben auf der Filmliste. Hoffentlich kommt er auch in die Provinz.

Sezen Akzu

Gerade las ich, dass der türkische Präsident Erdogan sich über die Sängerin Sezen Akzu so geärgert hat, dass er dazu aufrief, ihr die Zunge herauszureißen. Nach einem Shitstorm rudert nun das Präsidialamt zurück, so hätte es der Baskan nicht gemeint…..Nun ja.
Sezen Akzu ist nicht irgendeine türkische Popdiva. Sie ist seit vielen, vielen Jahren „im Geschäft“ und 2005 beteiligte sie sich an einem Projekt gemeinsam mit Mobilfunkanbieter turkcell, das für mehr Schulbildung für Mädchen warb. „Sezen Akzu“ weiterlesen

Wellenflug

Juli Zeh sagte letztens, sie hätte 1000 Seiten in vier Tagen gelesen. So einen Sog hätte das Buch entwickelt. Ich habe 324 Seiten gestern an einem Tag gelesen – es war auch bei mir der Sog, der mich daran hinderte, den neuen Roman von Constanze Neumann „Wellenflug“ aus der Hand zu legen. Von fast allen Figuren hätte ich gern mehr gelesen – nur von dem schwarzen Schaf der Familie, dem spielsüchtigen Nichtsnutz – eigentlich nicht. Aber um den kommt die Leserin nicht herum: Heinrich Reichenheim. Erstgeborener einer jüdischen Dynastie der Berliner belle epoque. Geld spielt keine Rolle – nur die jeweiligen Patriarchen wissen, wie schwer es verdient werden muss. Alle anderen geben es aus. So auch Heinrich. Mit vollen Händen: am Spieltisch, im Nachtleben und für Marie, in der er die Stütze seines Lebens erkennt, nach dem die anderen Stützpfeiler genug von ihm hatten.
Constanze Neumann trug sich wohl schon lange mit dem Gedanken, ihre Familiengeschichte aufzuschreiben. Sie verband die vielen Bruchstücke unter anderem mit Hilfe ihrer vielen Verwandten in aller Welt. Denn an den Orten, wo das Leben der Reichenheims, der Eisners, der Mendelsohns, von Klemperers statt gefunden hat, erinnert nicht mehr viel. Selbst die Gräber ihrer getauften Ururgroßeltern Anna und Julius Reichenheim gibt es nicht mehr. Nur die Gräber auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee sind noch da: von Adolph Reichenheim, Annas erstem Mann und das Grab, von Adolph, ihrem 1. Sohn aus der 2. Ehe mit Julius Reichenheim. Und da wäre ich bei einer Schwäche des Romans: es fehlt ein Stammbaum! Schon beim Anstieg zum Roman werden Cousinen und Cousins erwähnt, mit denen die Autorin verwandt ist, u.a. mit Judith Kerr, und im Laufe des Buches werden es immer mehr. Es ist eine große Familie mit zum Teil prominenten Mitgliedern. So taucht im Stammbaum der Familie Mendelssohn Charlotte Reichenheim auf, die 1. Frau des Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy, bei dem Marie einige Monate als Schreibkraft arbeitete. Heinrich hatte sie dort unterbracht.
Alles in allem sorgt auch diese Familiengeschichte dafür, das jüdische Leben des 19. und 20. Jahrhunderts vor dem Vergessen zu schützen. Und Constanze Neumann hat nicht nur  Gedankensplitter aneinander gereiht, sie hat in bester Tradition   eine Geschichte erzählt. Der Wellenflug der Familie Reichenheim könnte sich so oder anders zugetragen haben. Ja.
Constanze Neumann, Wellenflug, 234 Seiten, Ullstein Verlag, 2021, 22,00 Euro  

Risiko Pille – bleibt bestehen

Verhütungsmittel-Geschädigte verliert Prozess

Am 25. Juni hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Klage der Arznei-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen BAYER abgewiesen. Die 37 Jahre alte Frau forderte vom Leverkusener Multi Schadensersatz, weil sie nach der Einnahme des Verhütungsmittels YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten hatte.  Obwohl diese „Nebenwirkung“ des Medikaments seit Langem bekannt ist, sprach das Gericht den Global Player frei, schreibt die Coordination gegen Bayer-Gefahren, die seit vielen Jahren die Gruppe „Risiko-Pille“ um Felicitas Rohrer unterstützt.

„Das ist ein Skandal-Urteil. In den USA haben bisher schon 12.000 Leidensgenossinnen von Felicitas Rohrer Recht bekommen und insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld von BAYER erhalten. Hierzulande aber kuscht die Justiz vor der Macht der Konzerne“, konstatiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Das Mittel YASMINELLE mit dem Wirkstoff Drospirenon gehört zu den Kontrazeptiva der vierten Generation. Während es bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen, welche diese Pharmazeutika oder diejenigen der 3. Generation gebrauchen, zu Blutgerinnseln kommt, ist das nur bei 5 bis 7 von 10.000 derjenigen Frauen der Fall, die Pillen mit den älteren Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nutzen. Auf Anordnung des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) müssen BAYER und die anderen Hersteller deshalb bereits seit 2009 vor dieser besonderen Gesundheitsgefährdung warnen. Frankreich ging noch einen Schritt weiter. Dort wies die Politik die Krankenkassen an, die Kosten für Verhütungsmittel der 3. und 4. Generation nicht länger zu erstatten. „Ein solcher Schritt ist in Deutschland überfällig. So könnten jährlich bis zu 1.700 Thrombosen verhindert werden“, hält Stelzmann fest. So aber greift hierzulande noch über die Hälfte aller Frauen, die mit Hormon-Präparaten verhüten, zu Pillen der 3. oder 4. Generation, was den Herstellern Riesen-Profite einbringt. Im Geschäftsjahr 2020 machte BAYER mit den Drospirenon-Präparaten YAZ, YASMIN und YASMINELLE einen Umsatz von 670 Millionen Euro.

Dank der Pressearbeit der Gruppe Risiko-Pille entstanden viele Hörfunk- und Fernsehbeiträge, u.a. der Spielfilm „Was wir wussten – Risiko Pille – von 23. Oktober 2019 und 2016 das 55-minütige Hörfunkfeature „Krank und schlank“ des rbb. Da der Sender allerdings sich Stück für Stück von seinem Kulturradio verabschiedet, verschwinden ältere Produktionen auch aus den Mediatheken. Gut, wenn die Autorinnen Manuskripte und CDs archivieren.