Mit immer mehr Waffen wurde noch nicht all zu viele Kriege beendet. Allerdings ein sehr prominenter und zur Zeit wieder allgegenwärtig: der 2. WK gegen Deutschland und die Verbündeten. Aber dass darf ja heute gar nicht mehr gesagt werden: die Russen waren es, die dem Hitler-Deutschland den Rest gaben. Und feiern dürfen die Veteranen das auch nicht (findet die Bildzeitung) und in 20 Jahren wird es auch niemand mehr wissen, wenn der Geschichtsrevisionismus so weiter voranschreitet.
Ich kann mich nur Bertha von Suttner anschließen, die vor allem nach Bismarcks Reichseinigungskriegen ihr Buch: die Waffen nieder! schrieb.
Sie starb noch vor Ausbruch des 1.WK.
„Die Waffen nieder!“ – Bertha von Suttner, Bestsellerautorin und Friedensaktivistin
Als Bertha von Suttner am 21. Juni 1914 stirbt, geht ein Leben zu Ende, das auch als Vorlage für ein Hollywoodepos hätte dienen können. Sie wählt Abenteuer und Unsicherheit an der Seite des geliebten Partners und nicht das sorgenfreie Leben als Ehegattin eines reichen Mannes. Ihr Antikriegsroman „Die Waffen nieder!“ macht sie Ende des 19.Jahrhunderts zur bekanntesten Frau ihrer Zeit:
„Bertha von Suttner war eine emanzipierte Adelige, die von einem Partygirl zur Gallionsfigur der bürgerlichen Friedensbewegung vor dem 1. Weltkrieg wurde. Sie war eine Frau mit einer großen Mission und mit dem unbedingten Glauben daran, dass die Welt, den Krieg als Mittel der Politik im 20. Jahrhundert abschütteln würde.“
So charakterisiert die Politologin Michaela Karl Bertha von Suttner. Michaela Karl ist Lehrbeauftrage für Politische Theorie an der Hochschule für Politik in München. Im Buch „Streitbare Frauen“ hat sie sich ausführlich mit der bedeutenden Pazifistin beschäftigt.
Der geborenen Gräfin Kinsky kommen bei allen Aktivitäten ihre adlige Herkunft und die Erfahrungen der entbehrungsreichen Jahre zu Beginn der Ehe mit Arthur von Suttner zugute, die sie im Kaukasus-Fürstentum Mingrelien verbringen. Mingrelien liegt im Westen des heutigen Georgien, in dessen Hauptstadt Tiflis die Suttners ebenfalls einige Jahre leben. Bertha von Suttner braucht oft viel Mut, um sich über die Konventionen der Zeit hinwegzusetzen. Im 19. Jahrhundert hatten Frauen zurückhaltend zu sein. Die Öffentlichkeit zu suchen, auf Männer zu zu gehen, war verpönt, sich politisch zu betätigen für eine Frau sogar verboten.
Bertha von Suttner war eine geniale Netzwerkerin und PR-Managerin. Briefe waren ihre Form der Kommunikation. Sie schrieb Tausende. Sie war es, die den Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel, zur Stiftung des Friedensnobelpreises anregte. In einem Brief an Alfred Nobel schreibt sie:
„Ich bin nun bald fünfzig – das ist so ein Alter, in welchem die Frauen früherer Jahrhunderte Chancen hatten, als Hexen verbrannt zu werden – und jetzt: wahrlich, ich fühle mich so lebens- und tatkräftig, so arbeitsfroh – obgleich es eine furchtbar schwere Arbeit ist, die jetzt auf meinen Schultern ruht.“
Auf den Frieden als Lebensthema deutete nichts hin, als sie 1843 in Prag geboren wird. Ihr Vater Franz Michael Graf Kinsky stirbt mit 74 Jahren noch vor ihrer Geburt. Ihre Mutter Sophie ist erst Mitte zwanzig. Da die junge Witwe nur aus niederem Adel stammt, wird auch Komtesse Bertha Sophia Felicita vom böhmischen Hochadel nicht als standesgemäß akzeptiert. Auf der Suche nach einer guten Partie für Bertha zogen Mutter und Tochter durch die mondänen Badeorte und Spielcasinos ihrer Zeit. Am Ende hatte Sophie Gräfin Kinsky ihr eigenes kleines Vermögen und das Geld von Tochter Bertha verspielt.
Zitatorin 2:
„Die jugendliche Bertha war doch eine rechte Null“
Aut.:
Urteilt die 64jährige. Bertha von Suttner ist nicht nur mit anderen relativ gnadenlos, sondern auch mit sich selbst, sagt Michaela Karl:
Regie: Take 02 MK 02
„Wobei – und das finde ich unheimlich charmant – sie da geschrieben hat, „ich hätte das alles nicht erzählen müssen, aber ich glaube genau daraus kann man Lehren ziehen. Ich hab viel mehr // Verständnis für die Leute, die mir heute mit Unverständnis begegnen, wenn ich über den Frieden spreche, weil ich weiß wie sie denken, weil ich früher selbst so gedacht hab, weil es mich nicht interessiert hat.“ Also sie hat diese Jahre mitgenommen, und man muss auch sagen, // sie //war am Anfang diese Komtesse, die nichts anderes wollte als einen reichen Mann, der einem ein gutes Leben finanzieren kann. Ihr Leben hat bestanden aus Partys und der französischen Riviera und Spielbankaufenthalten. Und das hat sie voll und ganz so gelebt. Und was typisch für sie ist, es endet dann auch abrupt.“
Aut.:
Als unvermählter 30jähriger bleiben ihr nur zwei Optionen: Entweder sie lebt zurückgezogen mit ihrer Mutter von deren Witwenapanage, verbringt die Tage mit Lesen, Handarbeiten und Klavierspielen, oder sie sucht sich Arbeit als Gouvernante. Eines ist auf jeden Fall nicht möglich: Bertha kann kein unabhängiges, selbstständiges Leben allein führen. In ihren Memoiren klagt sie:
Zitatorin 3:
„Die Welt ist schon so eingerichtet, dass ein geistig hochstehendes Weib, das keinen Mann hat, mit anderen geistig hochstehenden Menschen: Schriftstellern, Künstlern und Künstlerinnen nicht frei verkehren kann, ohne dabei seinen guten Ruf und die Unbeflecktheit seiner Ehre einzubüßen. Dass die Gesetze der Ehre übertreten werden sollen, das verlange ich gewiss nicht, aber diese Gesetze sind es, die anders werden sollen.“
Aut.:
1873 verdingt sich Komtesse Bertha als Gouvernante und Gesellschafterin im Haus der Familie von Suttner. Sie betreut die vier Töchter und verliebt sich in den jüngsten Sohn. Aus dieser Zeit stammt auch ihr Spitzname „Boulotte“ – die Dicke. Sie ist eine recht stattlich Erscheinung und ihre weiblichen Formen werden durch die Mode noch betont: aufgebauschte Ärmel und Oberweite bei gleichzeitig eng geschnürter Taille.
Als nach drei Jahren das Verhältnis von Bertha mit dem sieben Jahre jüngeren Arthur auffliegt, vermittelt Baronin von Suttner Bertha die Stelle einer Sekretärin bei Alfred Nobel. Das ist der Beginn einer Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte. Alfred Nobel ist ein schwerreicher Industrieller und sichert all die Jahre mit seinen Zuwendungen ihre wirtschaftliche Existenz. Bei ihm bekam sie die ersten Impulse für ihre spätere Friedensarbeit. Nobel wollte, so notiert es Bertha von Suttner in ihren Memoiren:
Zitatorin 4:
„…einen Stoff oder eine Maschine schaffen können von so fürchterlicher, massenhaft verheerender Wirkung, dass dadurch Kriege überhaupt unmöglich würden.“
Aut.:
Nobel setzt sich mit Rüstungsfragen, Krieg und Frieden auseinander, und veranlasst Bertha, es auch zu tun. Sie ist von seinem Idealismus tief beeindruckt, nicht aber von seinen Avancen. Obwohl Nobel dem entspricht, was sie früher als gute Partie bezeichnet hätte, kündigt sie ihre Stelle nach kurzer Zeit – und flieht mit Arthur in den Kaukasus. Zuvor hatten sie heimlich in Wien geheiratet, worauf die Familie Arthur den Geldhahn zudreht. Das junge Paar lebt nun von der Unterstützung einer Freundin, der Fürstin von Mingrelien, die Bertha in der Spielbank von Homburg vor der Höhe kennengelernt hat. In ihren Memoiren beschreibt sie ihre Gönnerin:
Zitatorin 5:
„Das Orientalische, Exotische, vermischt mit dem russisch und pariserisch Weltlichen gewürzt von Romantik und eingerahmt von Reichtumsglanz, das übte einen eigenen Zauber auf mich aus: Ich war geradezu glücklich über diese Beziehung, sie war mir wie die Erfüllung unbestimmter, langgehegter Träume.“
Aut.:
Nach dem Tod der Fürstin müssen die jungen Eheleute selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Wie anderen mittellosen Adligen bleiben ihnen nur die Schriftstellerei und der Journalismus. Da beide sehr belesen sind, beginnen sie, Artikel, Aufsätze und Romane zu verfassen. Nach den Feuilletons wagt sich Bertha an Fortsetzungsgeschichten, ganz im Stil der damals üblichen Frauenliteratur. Der Abdruck des Romanerstlings „Hanna“ als Fortsetzungsgeschichte in der „Gartenlaube“ brachte ihr 800 Mark ein. Das Honorar weiß sie besonders zu schätzen, weil sie inzwischen Zeiten durchmachen musste, in denen sie und ihr Mann nicht wussten, wovon sie am nächsten Tag leben sollten. Leute, die nie darben mussten, meint sie,
Zitatorin 6:
„…wissen nichts von der Wonne, die eine solche Summe mit sich bringt – eine ehrenvoll verdiente noch dazu.“
Aut.:
Beide schreiben unter Pseudonymen. Arthur als „M.A. Lerei“, Bertha als „B. Oulot“ in Anlehnung an ihren Spitznamen Boulotte. Gerade ihre Erfolge unter Pseudonym, hinter dem allgemein ein Mann vermutet wurde, wird sie später als Argument für ihre frauenpolitischen Positionen benutzen. Sie wehrt sich gegen die Herausstellung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf Grund des Geschlechts. Sie hat eher egalitäre Vorstellungen. Schließlich hat niemand bemerkt, dass ihre Bücher nicht von einem Mann stammten.
Dabei ist sie weit davon entfernt, Frauen nur als mütterliche, und von Natur aus friedliebende Wesen anzusehen. Michaela Karl:
Regie: Take 03 MK Frauen
„Sie war niemals so naiv, die Gleichung Frau ist gleich Frieden zu ziehen. Also ihr war immer bewusst, dass es auch bei den Frauen, auch in der Frauenbewegung Frauen gibt, die eigentlich nicht ihrer Ansicht sind. // Da hat sie sich keinerlei Illusionen hingegeben und deshalb hat sie eigentlich mit Männern und // Frauen auf gleicher Ebene zusammengearbeitet, aber sie hat nicht geglaubt, dass die Frauen ihre natürlichen Verbündeten sind.“
Aut.:
An Frauen als Leserinnen hat sie dagegen immer geglaubt. Ihr großer Antikriegsroman „Die Waffen nieder!“ sollte zwar weite Teile der Bevölkerung erreichen, aber insbesondere die Frauen ansprechen. 1889, mit 46 Jahren, veröffentlicht Bertha von Suttner – das erste Mal unter ihrem eigenen Namen – einen Roman. Sie trifft damit den Nerv der Zeit. Spannend aufgebaut erzählt sie die Geschichte der Gräfin Martha Althaus, die manchmal Züge der Autorin trägt. Martha Althaus verliert ihren ersten Ehemann im Krieg, um den zweiten bangt sie ständig. Den Hintergrund des Romans bilden der italienische Unabhängigkeitskrieg 1859 und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Österreich 1866 im Zusammenhang mit der deutschen Reichsgründung. Bertha von Suttner recherchiert akribisch. Sie versucht das Sterben auf dem Schlachtfeld, so realistisch wie möglich darzustellen. Die Schonungslosigkeit des Buches rüttelt auf und elektrisiert:
Zitatorin 7:
“Wie in Horonewos (Betonung auf der 1. Silbe, und einem langen „e“ und einem langen „O“), so hatte die Hölle noch in vielen anderen umliegenden Ortschaften ihre Filialen. So war es in Sweti, in Hradeck, in Problus, in Pardubitz, wo über tausend Schwerverwundete, Operierte und Amputierte umherlagen, teils sterbend, teils schon gestorben. Viele in blutigen Hemden. Alle die, welche noch Spuren des Lebens in sich trugen, schreiend nach Wasser und Brot, sich krümmend unter den Schmerzen ihrer Wunden, und um den Tod gleichwie um eine Wohlthat flehend.“
Aut.:
Daneben lässt sie ihre Figuren alle Argumente für und gegen den Krieg diskutieren. Gräfin Martha Althaus – ihre Hauptperson – wandelt sich von einer überspannten siebzehnjährigen Schwärmerin zu einer streitbaren Pazifistin. „Die Waffen nieder!“ wird in 16 Sprachen übersetzt und ist eines der erfolgreichsten Bücher des 19. Jahrhunderts. Bertha von Suttner wird damit zu einer der zentralen Figuren der Friedensbewegung – als Aktivistin, nicht als theoretische Vordenkerin. Das Entree in die intellektuellen, friedensbewegten Kreise der Zeit verschafft sie sich mit dem gesellschaftskritischen Buch „Das Maschinenzeitalter – Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit“. Sie entwirft – ganz in der Tradition Alfred Nobels – in diesem Buch ein durch die fortschreitende Technik ins Unerträgliche gesteigertes Schreckensszenario künftiger Kriege:
Zitatorin 8:
„Jedes Dorf eine Brandstätte, jede Stadt ein Trümmerhaufen, jedes Feld ein Leichenfeld, und noch immer tobt der Kampf: unter den Meereswellen schießen die Torpedoboote, um mächtige Dampfer in den Grund zu ziehen; in die Wolken steigen bewaffnete und bemannte Luftschiffe einer zweiten aeronautischen Truppe entgegen, und aus tausend Meter Höhe schneien verstümmelte Krieger als blutende Flocken herab ….“
Aut.:
Gleichzeitig breitet Bertha von Suttner in dem Buch ihre Analyse der „Moderne“ aus: Sie glaubt fest, dass sich die Menschheit so entwickeln kann, dass die Welt besser, humaner und geschlechtergerechter wird. Für sie stellt der Krieg das entscheidende Hemmnis für die Höherentwicklung des Menschen dar.
Trotz ihrer publizistischen Erfolge hat es Bertha von Suttner nicht leicht, in der Friedensbewegung anerkannt zu werden, sagt Michaela Karl:
Regie: Take 04
„Sie war schon – glaube ich – auch immer überrascht, dass ihr als Frau innerhalb der Friedensbewegung Probleme entstanden sind, die Männer wahrscheinlich nicht hatten. Die Anfeindungen // innerhalb der Friedensbewegung: sie argumentiere so emotional und moralisch – das ist doch ne typische Anfeindung, die ich als Frau kriege, // Das ist doch wieder dieses typische Denken, das analytische, logische Denken wären die Männer und das Emotionale und Moralische das sind die Frauen. Dass das ne Strategie von ihr war, hätte man vielleicht auch entdecken können.“
Aut.:
Vielleicht war auch Neid im Spiel: Bertha von Suttner konnte die meisten Geldmittel für die Friedensbewegung akquirieren, pflegte Kontakte zu Wohlhabenden in aller Welt: Zu ihren Geldgebern zählen Alfred Nobel, der Fürst von Monaco oder der us-amerikanische Philanthrop und Stahlmagnat Andrew Carnegie. Sie konnte in der Öffentlichkeit überzeugen. Sie sprach selbst von „ihrem Magnetismus“:
Regie: Take 05
„Für sie war wirklich die Friedensarbeit, praktisch einfach es nicht mehr zum Krieg kommen zu lassen. Sie hat sehr stark auf das gesetzt, was die Friedensbewegung dann auch vor dem ersten Weltkrieg propagierte: Schiedsgerichte, eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit, auf die Zusammenarbeit der Völker, auf den Abbau von Vorurteilen, auf ein Völkerrecht, auf ein wirklich international anerkanntes Völkerrecht. Auf so etwas hat sie gesetzt.“
Aut.:
Die andere große Kämpferin für den Frieden, Rosa Luxemburg, stand der Friedensbewegung sehr kritisch gegenüber, weil die Friedensbewegung nach ihrer Meinung die wirtschaftlichen Ursachen von Kriegen eher verdeckte als offen legte. Die Ursachen für die Kriege ihrer Zeit sah Rosa Luxemburg in der kapitalistischen Ökonomie begründet. Kapitalistische Volkswirtschaften seien gezwungen, sich ständig neue Absatzmärkte zu erschließen – wodurch – so Rosa Luxemburg – ein Drang zum Krieg entstehe. Nichts desto trotz wirbt Bertha von Suttner um die Sozialisten als Bündnispartner. Sie verfolgt begeistert die Antikriegsreden Rosa Luxemburgs.
Bertha von Suttners Arbeitsalltag in den nächsten 25 Jahren ist davon bestimmt, Vorträge zu halten, mit hohem Aufwand Kongresse zu organisieren, prominente Teilnehmer zu gewinnen und Geld zu beschaffen. Sie ist sich selten zu schade, darum zu bitten und beobachtet eifersüchtig, wenn die Reichen für mildtätige Zwecke wie Krankenpflege oder Bildungseinrichtungen spenden. Als Andrew Carnegie insgesamt 15 Millionen Dollar für Bibliotheken ausgibt, im Vertrauen darauf, dass Bildung und Wissenschaft Grundlagen für den Fortschritt der Menschheit sind, schreibt Bertha von Suttner leicht ungehalten in einem Kommentar an den Verleger Alfred Hermann Fried:
Zitatorin 10:
„Millionen für Friedenspropagandaschriften, wäre das nicht besser als für Bibliotheken, die wieder voll von alter kriegsverherrlichender Literatur sind?“
Aut.:
Carnegie stiftete darüber hinaus nicht nur die New Yorker Carnegie-Hall, sondern auch Geld für die Völkerrechtsbibliothek in Den Haag und ein großes Gebäude für das Internationale Schiedsgericht – das zentrale Ziel der Arbeit Bertha von Suttners. Aber sie benötigte riesige Summen: für den Ausbau der Friedensbewegung, für Reisen und den eigenen aristokratischen Lebensstil, oder um ihren Mitarbeiter Alfred Fried endlich finanziell abzusichern. Der Verleger Alfred Hermann Fried ist ihr engster Mitarbeiter. In den mehr als 25 Jahren ihrer Zusammenarbeit wechseln sie über 5.000 Briefe und Depeschen.
Ein Treffen mit Andrew Carnegie nutzt Bertha von Suttner, um ihre Bitte vorzutragen. Nach dem Treffen erhält Alfred Fried zumindest so viel Geld, das es für ein Jahr reicht.
Zitatorin 12:
„Mein lieber Fried,
Aut.:
schrieb Bertha von Suttner am 3. November 1892, als es um die Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft ging:
Zitatorin 13:
„Ich hab schon lange keine größere Freude erlebt, als die mir Ihre Depesche bereitete! Das ist ja herrlich. Ihr Verdienst ist unberechenbar – hätten Sie nicht so unermüdlich fortgearbeitet, es wäre nichts zustande gekommen. 15 Gründer!“
Aut.:
Diese Arbeit will Alfred Nobel als einer ihrer größten Förderer über seinem Tod hinaus ermöglichen. In seinem Testament stiftet er sowohl Preise für den wissenschaftlichen Fortschritt, als auch für die Friedenssicherung. Der Friedensnobelpreis sollte an Personen verliehen werden, die sich „… am meisten für die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hatten“. Bertha von Suttner hofft, ihn als erste zu bekommen. Dafür aber ist letztlich die Schar ihrer Gegner zu groß. Sie ist nicht nur die bekannteste Frau ihrer Zeit, sondern auch eine sehr umstrittene. Michaela Karl:
Regie: Take 06
„Bertha von Suttner hat alles in sich vereint, was die Gesellschaft der Jahrhundertwende nicht ausstehen konnte. Sie war ne Frau, die in der Öffentlichkeit auftrat, die sichtlich selbstbewusst war, die ihr eigenes Geld verdiente, // sie gehörte zwar dem Adel an, hielt sich aber an keinerlei Konventionen und Regeln. Und sie war ne Art Nestbeschmutzerin, weil sie der verhassten Friedensbewegung angehörte. Gerade in Deutschland, dessen ganzes Selbstbewusstsein auf diesem Sieg über Frankreich beruhte und das vor lauter Militarismus und Chauvinismus gar nicht mehr gehen konnte, da // wurde sie richtig gehasst.“
Aut.:
1905 erhält sie dann doch als erste Frau den Friedensnobelpreis. Es hatten sich weltweit so viele Menschen für sie eingesetzt, dass das Nobelkomitee sie nicht wieder übergehen konnte. Zu ihren Unterstützerinnen zählen vor allem Frauenvereine aus aller Welt. Von ihnen erhielt sie oft Einladungen, um auf großen Veranstaltungen zu sprechen. Wenn sie auf Reisen ist für die Friedensbewegung, dann hält sie Hof. Repräsentation ist ihrer Vorstellung nach notwendig, um die Friedensidee nach vorne zu bringen. Auf Fotos von ihren Auftritten wirkt sie majestätisch – gerade so als wenn dort eine Königin oder Kaiserin ein Grußwort spricht und nicht die Ikone der Friedensbewegung einen mitreißenden Vortrag hält, wie zum Beispiel in den USA:
Regie: Take 07
„Sie ist in den USA – das muss man sagen – ganz anders empfangen worden als hier. // Was sie gesagt hat, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Sie hat dort ja auch unheimlich viel Geld eingesammelt. // Die USA waren vor dem 1. Weltkrieg auch in den Gedanken der Bertha von Suttner ein Land des Fortschritts, ne Demokratie, sie waren groß und mächtig, // Bertha von Suttner hat große Hoffnungen in die USA gesetzt, weil eben dort diese bürgerliche Bewegungen sehr stark waren, stärker als in diesem Europa mit seinen überkommenen Werten. // Gerade ihre Reisen in die USA // das war für sie // eine Bestätigung ihrer Arbeit. Da hatte sie das Gefühl, sie ist nicht auf verlorenem Posten, da sind wirklich auch einflussreiche Leute, die hinter ihr stehen.“
Aut.:
In Deutschland wird Bertha von Suttner erst nach dem 2. Weltkrieg geehrt. 1964 gibt die DDR eine Briefmarke mit ihrem Konterfei heraus. In beiden Teilen Deutschlands werden Straßen und Plätze nach ihr benannt. In Westdeutschland ist es die neue Friedensbewegung der 80er Jahre, die sich auf sie bezieht und viele damals gegründete Schulen tragen den Namen Bertha von Suttners. Die Initiative zu dieser Namensgebung, sagt Bernhard Nolz, selbst ehemaliger Lehrer an einer Bertha von Suttner Schule, ist damals von den Eltern ausgegangen, die sich in der westdeutschen Friedensbewegung engagierten.
Regie: O-Ton Take 08
3’40 „Dieser Name ist ganz eindeutig auch eine Aussage, die die Schule damit trifft – nämlich für den Frieden! // 4’20 Mit dem Stichwort des Romans „Die Waffen nieder“ hat man ja noch einen weiteren Identifikationspunkt, nämlich man kann ja auch die Schriftstellerin und Journalistin Bertha von Suttner in den Mittelpunkt stellen: sie // hat // sich dafür ausgesprochen, dass nun endlich die Geißel des Krieges von der Menschheit genommen wird und sie appelliert immer wieder an die politisch Mächtigen, dass sie sich zusammensetzen, dass sie in Konferenzen zusammenkommen und darüber beratschlagen wie denn Konflikte, die nun mal da sind, gelöst werden können. Und das ist dann wiederum ein Vorbild // auch für junge Leute. Aus den Umfragen wissen wir, dass Frieden immer noch oben an steht als einer der wichtigsten Aspekte // denen Jugendliche Bedeutung geben.“
Aut.:
In Berlin gibt es sogar seit 1946 ein Gymnasium in der Reinickendorfer Reginaldstraße, das nach Bertha von Suttner benannt ist. Die Schule versucht die Jugendlichen im Sinne Bertha von Suttners zu erziehen, erklärt Schulleiterin Jutta Randeloff:
Regie: O-Ton Take 09 13b J. Randeloff
„Das allein die Art das Leben zu begehen, tatsächlich mutig, und // manchmal unbeirrbar – auch manchmal unbelehrbar – bei seiner Sache zu bleiben und bei seinem Thema zu bleiben und // doch für eine gute Sache zu kämpfen. // Das ist etwas, was // Jugendlichen heute doch etwas sein kann – nicht so leicht aufzugeben z.B. nicht sofort die Flinte ins Korn zu werfen, auch wenn man mal nicht sofort zum Erfolg kommt, // und ich denke das ist wichtig“
Aut.:
Paula, Felix, Barbara, Charlotte, Torben und Dorothea gehen in die 9.Klasse: Was verbinden sie mit Bertha von Suttner?
Regie: O-Ton Take 10 12a
„Ja also ein bestimmtes Ereignis ist natürlich der Nobelpreis, den sie als erste Frau bekommen hat. So was ist schon eindrucksvoll und das kann man sich schon als Vorbild nehmen. Bertha von Suttner ist bei uns im Schulalltag selber immer wieder im Unterricht präsent. Im Geschichtsunterricht greifen wir hin und wieder auf sie zurück. Thema jetzt auch 1. Weltkrieg und so Und da kann man auch wieder auf Bertha von Suttner zurückgreifen, weil sie ja auch versucht hat, ohne Waffengewalt Frieden zu schaffen zwischen den Ländern und das ist ja auch in Europa für uns heute wichtig. Im Geschichtsunterricht reden wir ja auch z.B. über die Ukraine-Krise und da wurde ja auch immer gewarnt vor nem 3. Weltkrieg und da ist es natürlich auch wieder wichtig, dass man ne pazifistische Sichtweise sieht, weil es ist ja auch direkt nach Bertha von Suttners Tod der 1. WK ausgebrochen und der hat ja verheerenden Schaden angerichtet und sofern sollte man weitere Kriege auf jeden Fall verhindern. Ich finde auch, dass sie sich für andere Menschen eingesetzt hat, die zu der Zeit verleumdet wurden. Also gegen den Antisemitismus z.B. und als sie verspottet wurde, trotzdem hat sie sich eingesetzt und ist bei ihrer Meinung geblieben und nicht wankelmütig. Sie war einfach ne starke Person – das bewundere ich eben auch. Weil dass ist echt mutig so gegen die Masse aufzustehen auch wenn die meisten sich nicht trauen. Sie hat ja ihr Leben lang Kontakte geknüpft, sie ist ja gereist ohne Ende, hat Leute gefunden und die Friedensgesellschaften, die sie auf Grund dieser Kontakte gründen konnte, existieren ja heute teilweise noch dazu gehört ja viel. Ich meine, Leute zu überzeugen ihr Geld zu investieren ist auch nicht so ganz einfach und auch das hat sie gut hingekriegt. Ich glaube dieses miteinander Reden, Kommunizieren, sich Absprechen, überzeugen etc. dass das tatsächlich die Kernsache ist, die ich jetzt hier von Bertha von Suttner besonders schätze.“
Aut.:
Die Jugendlichen beeindruckt die Unbeirrbarkeit der Pazifistin, die selbst Hohn und Spott nicht einschüchtert. Karikaturen zeigen oft eine korpulente Bertha von Suttner in Gouvernanten Tracht mit Häubchen und weißer Schürze wie sie entweder versucht den „Frieden“ mit einem Schmetterlingsnetz einzufangen oder streitende Kinder zu besänftigen. Außerdem erhält sie den Spitznamen „Friedensbertha“, unter anderem für ihre Begeisterung über den russischen Zaren, auf dessen Initiative 1899 und 1907 die zwei Haager Friedenskonferenzen stattfinden. Nikolaus II. als Friedensfürsten zu feiern, ging selbst ihren Unterstützern zu weit, sagt die Politologin Michaela Karl:
Regie: Take 11
„Aber für Bertha von Suttner // war allein die Tatsache, dass der Zar als einziger und erster europäischer Staatsmann praktisch so einen internationalen Friedensaufruf gestartet hat, das hat sie völlig überwältigt. Die Skeptiker haben hinter dem Aufruf des Zaren vor allem ne Finte gesehen, damit Russland genügend Zeit hat, den Rückstand // gegenüber den westlichen Nationen aufzuholen. Das hat Bertha von Suttner nicht sehen wollen, für sie war er der einzige Staatmann, der sich mit der Friedenssicherung im internationalen Kontext überhaupt beschäftigte, so eine Initiative gestartet hatte,// die ja dann tatsächlich zu den Haager Konferenzen geführt hatte. Also man muss wirklich sagen, // es haben sich zum ersten Mal tatsächlich Politiker, Juristen also Entscheidungsträger an einen Tisch gesetzt und haben zumindest über den Frieden gesprochen. Und für Bertha von Suttner war der Zar auf ihrer Seite, während Wilhelm II. für sie alles Übel dieser Welt beinhaltete, da eben gerade die Haager Konferenzen an seiner Weigerung scheiterten, die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit einzuführen.“
Aut.:
Dem sich immer schneller drehenden Krisenkarussell im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, dem „Hurra-Patriotismus“ und der Kriegsbegeisterung vornehmlich akademischer Kreise in Deutschland und Österreich versucht sie mit vielen öffentlichen Auftritten etwas entgegen zu setzen:
Regie: Take 12
„ Als sie Witwe ist, ist sie ja nur mehr in diesen schwarzen Witwenkleidern aufgetreten. Ich finde wenn man die Bilder sieht, erinnert sie unheimlich an Queen Victoria, auch optisch dieses Matronenhafte, immer dieser schwarze Schleier. Victoria hat ja nach dem Tode von Albert auch nur noch schwarz getragen. Aber // für mich ist das auch ein Symbol: es gab dann nichts anderes mehr: nur noch die Friedensarbeit. Das war die Rolle ihres Lebens. Und das ist am Ende übrig geblieben – die Friedensaktivistin, an die wir uns heute erinnern.“
Aut.:
Auch ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass wenige Tage vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs in Berlin 40 000 Menschen für den Frieden demonstrieren. Bertha von Suttner wäre begeistert gewesen.
Noch auf dem Sterbebett am 21. Juni 1914 sollen ihre letzten Worte gewesen sein: „Die Waffen nieder – sagt es allen!“
Die erste deutschsprachige Journalistin von europäischem Rang, Mitbegründerin der deutschen und österreichischen Friedensbewegung und erste Frau, die den Friedensnobelpreis erhält, erlebt nicht mehr, dass mit dem Kriegsausbruch am 4. August 1914 ihre finsteren Prophezeiungen Wirklichkeit werden.
Gesendet am 17. Juni 2014 im rbb–kultuRradio
Redaktion: Heike Kalnbach
Autorin: Henriette Wrege