„Liebe Frau Wrege“, so schreibt Heribert Prantl jeden Sonntag u.a. an mich, „es ist Faschingssonntag. Aber das Thema, von dem ich hier schreibe, diese Aktion, die die demokratischen Parteien beschlossen haben, ist keine Gaudi und überhaupt nicht zum Lachen. Die Aktion ist gefährlich: Asylbewerber sollen künftig schon im Alltag als Asylbewerber erkennbar sein. Dies ist unter anderem das Ziel der Aktion Bezahlkarte.
Flüchtlinge sollen künftig (bis auf ein kleines Taschengeld, in Bayern 50 Euro im Monat) kein Bargeld mehr bekommen, sondern mit einer Chipkarte einkaufen gehen. Das wird keine Art EC-Karte mit Limit sein, sondern eine Chip-Karte, die örtlich und sachlich nur sehr beschränkt einsetzbar ist – also nicht an jedem Ort, nicht in jedem Geschäft und nicht für alle Waren. Da wird es deshalb Unklarheiten an vielen Kassen geben. Der Unmut beim Stau an der Kasse, die mitleidigen bis missbilligenden Blicke – sie gehören zum Abschreckungsprinzip, das das tragende Prinzip der Chip-Bezahlkarte ist. Es werden Karten sein, bei deren Einsatz man schnell auffällt. Mit ihrer deutschlandweiten Einführung schafft man Fremdenfeindlichkeit. In der Karte steckt mehr als ein Geldbetrag. In ihr steckt die Botschaft: „Seht her, die können nicht mit Geld umgehen, die sind anders, die gehören hier nicht her.“ Die demokratischen Parteien, die die Einführung dieser Bezahlkarte beschlossen haben, reagieren auf fremdenfeindliche Stimmungen mit fremdenfeindlichen Praktiken.
Kamellen von gestern
Bei den Chip-Bezahlkarten handelt es sich im Übrigen um Kamellen von gestern. Vor über dreißig Jahren, in der Zeit, als das Asylgrundrecht geändert und von Flüchtlingen nur noch im Katastrophenjargon geredet wurde, in der Zeit also, als Deutschland leicht entflammbar war, gab es Einkaufs-Gutscheine für Flüchtlinge: Sie waren keine Gutscheine, sondern Bösscheine und wurden wegen Unpraktikabilität wieder abgeschafft. Die Chip-Bezahlkarte ist nun ein Update.
Die Städte und Gemeinden sollen, so ist es geplant, selbst entscheiden, ob und wie sie die Chipkarte einführen. Das klingt positiv, das klingt nach kommunaler Gestaltungsfreiheit. Viele Amts- und Referatsleiter in den Kommunen, also die Praktikerinnen und Praktiker des Asyl- und Ausländerrechts, werden versuchen, ihren Bürgermeistern die Chip-Bezahlkarte auszureden – weil ihnen klar ist, dass das Ganze nur mehr Arbeit macht, Geld kostet und Konflikte mit sich bringt.
Die Kommunen müssen aber entscheiden, so oder so. Das heißt: Die Diskussion über die Leistungen für Flüchtlinge laufen jetzt nicht mehr nur auf Bundes- und Landesebene. Man hat sie künftig auch in jeder Kommune, man hat sie dort im Stadtrat und in der Öffentlichkeit – zur Freude der AfD, die sich nichts mehr wünschen kann als möglichst oft das Migrationsthema zu orchestrieren. So wirkt man dem Fremdenhass nicht entgegen, man reproduziert und multipliziert ihn. Das ist gefährliches Politiktheater.