Mai 2021

In diesem Jahr ist ist unser Garten mindestens 4 Wochen im Rückstand. Anfang Mai noch in voller Blüte stehende Narzissen und Tulpen – das gibt es nicht so oft. Die Maiglöckchen sind zwar da, aber noch sind die Glöckchen nicht aufgeblüht und der Flieder verharrt ebenfalls im Knospenstadium.

Ida Pfeiffer – Weltreisende um 1860

Schon als Kind träumte Ida Pfeiffer davon, an Expeditionen in ferne Länder teil zu nehmen und über die Weltmeere zu segeln. Und tatsächlich war sie die erste Frau, die eine Reise rund um die Welt unternahm.
Sie wollte nicht akzeptieren, dass Menschen nur wegen ihrer unterschiedlichen Hautfarbe nicht die gleichen Rechte haben sollten. In der Zeitschrift „Unterhaltungen am häuslichen Herd“ war als Ankündigung für einen Vortrag zu lesen, „dass die Reisende von der Geografischen Gesellschaft Berlins berufen wurde, um vor jener „für die Wilden“ zu plädieren“.
„Der Weiße verlangt nach den Weibern und Töchtern der Wilden, er verhöhnt sein heiligstes, seinen Glauben, seine Götter. Er betrügt, übervorteilt ihn, wo immer er es nur vermag, ja, wenn es in seiner Gewalt liegt, jagdt er ihn von seinem heimathlichen Boden. Jede Regierung, sie mag englisch, holländisch, amerikanisch oder wie immer heißen, hat bei Eroberungen nichts anderes in Sicht als aus Land und Leuten zu ziehen und zu pressen, was nur möglich ist.“
1842 – da war sie 44 – packte Ida Pfeiffer zum ersten Mal ihre Koffer für eine Fernreise: sie brach zu einer Pilgerreise ins Heilige Land auf. Obwohl Pilgerreisen lange Zeit die einzige gesellschaftlich akzeptierte Form des Reisens für Frauen war, erschien ihr Vorhaben Freunden und Verwandten als sehr gewagt. Palästina war in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine politisch unruhige Gegend und außerdem herrschte in vielen Hafenstädten die Pest. Doch Ida ließ sich nicht aufhalten.
Ida Pfeiffer war zwar wagemutig aber nicht naiv. So hat sie vor allen Fernreisen ein Testament gemacht, weil sie letztlich doch damit rechnete, die Reise nicht zu überleben. Trotzdem überwog ihre Entdeckerlust, das Bemühen Vorurteile zu widerlegen und Verständnis für die sogenannten Wilden zu wecken.
Nicht immer müssen erst die Nachfahren der Urgroßeltern wie bei Götz Aly das Ausräubern der sogenannten Wilden im 19. Jahrhundert als das bezeichnen was es ist: Raub inklusive Mord und Totschlag. Und es wird Zeit, dass 200 Jahre später die Alltagsgegenstände und Artefakte wieder zurückgegeben werden und zwar die Originale – die Kopien können wir ja weiterhin ausstellen. Uns sind die Stücke sowieso nicht heilig!
Ida Pfeiffer – Die Weltreisenden des Biedermeier, br wissen, Juli 2013, Eine Sendung von Henriette Wrege. Das Manuskript kann in der Redaktion angefordert werden, die Sendung ist bestimmt im Netz als Podcast zu finden. „Ida Pfeiffer – Weltreisende um 1860“ weiterlesen

Tschernobyl – 1986

35 Jahre ist die Explosion im AKW Tschernobyl ist her. Seit dem hat es zumindest einen Reaktorunfall gegeben, nach dem die AKW-Befürworter nicht mehr zur Tagesordnung übergehen konnten: Fukushima am 11. März 2011. Davor kam es in Harrisburg in den USA am 28. März 1979 zur Kernschmelze. Dieser Unfall erweckte die Anti AKW-Bewegung zum Leben. Gemeinsam ist allen Unfällen, dass erst einmal abgewiegelt wurde und alles verharmlost.
Ich war im April 1986 auf dem Rückweg aus  meinem Frankreich-Urlaub. Und war ziemlich erstaunt, als ich am 1. Mai in Basel ankam und alle Welt völlig aufgeregt und panisch war. Keine Kuh auf der Weide und man trank keine Milch mehr. Ich dagegen war tiefenentspannt. In Frankreich hatten wir zwar von dem Unfall gehört, aber……Strahlung (war da was?) und atomare Risiken allgemein waren dort kein Thema. Und in dieser Stimmung befanden wir uns, als es langsam in unser Hirn sickerte, was da eigentlich passiert ist. Als Meteorologin sah ich mir die großräumige Strömung an und  war froh, dass die akuten  Belastungen nördlich von Deutschland über Skandinavien zogen.  Am Ende war es überall und meine Schilddrüse sagt seit dem in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder „Hallo“. Meine polnische Putzfrau erzählte von viele Bekannten, die nach und  nach Schilddrüsenkrebs bekamen.
Lachen kann ich heute noch über darüber, dass der grüne Salat, den in Berlin niemand mehr essen wollte, ganz einfach in den Osten wanderte. Dort freute man sich …..Strahlung? war da was? – das galt im Sozialismus schließlich noch recht lange.
Den ersten Regen bekam ich damals in Darmstadt ab. Wir guckten uns an – aber „Brandlöcher“ hatten wir nicht auf der Haut – trotzdem war es unheimlich.
Eltern mit kleinen Kindern „wanderten“ auf die Kanarischen Inseln aus, es wurden überwiegend Südfrüchte gegessen. Und einige hatten nach ein paar Monaten aufgerissene Mundwinkel auf Grund des Vitaminmangels.
Klar war: Pilze aus Weißrussland würde man nie wieder essen. Das radioaktive Caesium 137 hat eine Halbwertszeit von 30 Jahren und ist trotzdem heute noch in Teilen Bayerns in Pilzen und Wildschweinfleisch nachweisbar.

Armenier-Ethnozid

Der 24.April 1915 gilt als Beginn des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich. Als ich 2009 den Auftrag bekam eine 20 Minuten Sendung für den Bayerischen Rundfunk zu machen, galt das in der „Szene“ noch als gewagt. Meine Hauptquelle, die Wissenschaftlerin Tessa Hoffmann, zweifelte sogar daran, dass die Sendung jemals ausgestrahlt wird. Aber sie wurde es: zum 95. Jahrestag und zum 100. Jahrestag. Hier der Beginn des Features:
„Als wir an den Euphrat kamen, war das Wasser voller aufgetriebener Kinderkörper. Sie waren wie gefüllte Säcke. So sahen wir hunderte Kinder treiben. Als erstes hab ich ein abgetrenntes Bein gesehen.“

Zepur Metspakian hat den Massenmord an ihrem Volk – dem armenischen – überlebt. Die Bilder konnte sie ihr Leben lang nicht vergessen. Noch im hohen Alter hat sie von den Gräueln erzählt, deren Zeugin sie als kleines Mädchen wurde. Gräuel, die am 24. April 1915 begannen. Mitten in der Anfangsphase des 1. Weltkriegs, als die Regierung des Osmanischen Reichs den Ethnozid beschlossen hat. Sie konnte damit rechnen, dass der Beschluss in den Kriegswirren nicht viel Aufsehen erregen würde. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts waren Armenier immer wieder Opfer von Massakern geworden. Trotzdem kamen die Razzien im April 1915 für die meisten Betroffenen offenbar völlig überraschend.

„Sie haben sich genauso abführen lassen wie die Juden im 2. Weltkrieg. Das kann man sehr gut vergleichen. Auch viele Juden haben tatsächlich geglaubt, dass sie mit diesen Güterwaggons, in die sie gepfercht wurden, irgendwo nach Osteuropa gebracht werden und da ein zwar hartes aber doch immerhin ein Leben anfangen. So haben auch viele Armenier geglaubt, die Deportation führt sie in neue Ansiedlungsgebiete.“

„Verdrängter Genozid – der Völkermord an den Armeniern 1915“
Erstausstrahlung am 19. April 2010 in br wissen. Das Manuskript kann man in der Redaktion bekommen und als Podcast steht das Stück bestimmt irgendwo im Netz. 
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