| Wenn junge Männer sich Waffen wie z.B. Böller im Supermarkt besorgen können, dann benutzen sie diese auch – u.a. als Waffen gegen Passanten, gegen Einsatz- und Rettungskräfte. Und das nicht nur an Silvester – dem Höhepunkt der Raunächte, an denen die Grenze zwischen der zivilisierten und der Welt der Perchten leicht aufbricht: wie in Kölln oder diesmal – dem Wahlkampf sei Dank – in Berlin. Der von mir sehr geschätzte Kollege Heribert Prantl erinnert in seiner Kolumne daran, dass der Skandal vor allem die mager ausgestattete Justiz ist. Es geht um Taten und nicht um die Farbe der Pässe der Täter. Schließlich wurden auch auf dem Dorf Container in Brand gesteckt und nachts um 3 Uhr noch Böller in Höfe geworfen: „Der gewalttätige Furor in der Berliner Silvesternacht hat ein politisches Nachbeben – es wird all das heftig diskutiert, was nach Gewalttätigkeiten immer heftig diskutiert wird: Verbote und Strafverschärfungen, Strafverschärfungen und Verbote. Die Strafverschärfungsdebatte bringt nichts, weil das Strafrecht scharf genug ist. Es ist aber nicht schnell genug. Die Strafe muss der Tat nicht irgendwann, sondern auf dem Fuß folgen, ein paar Tage später – gerade bei solchen Straftaten wie in der Silvesternacht, gerade nach den testosterongeschwängerten Angriffen auf Rettungskräfte. Jedenfalls die in der Tatnacht Festgenommenen sollten umgehend abgeurteilt werden. Tat – Festnahme – Urteil. Das ist der effektive Dreiklang. Das geltende Strafrecht hat mehr Zähne, als man landläufig meint. Diese Zähne müssten aber viel schneller gezeigt werden. Die Paragrafen, die so etwas möglich machen, stehen längst im Gesetzbuch; sie stehen aber nur auf dem Papier, weil es in der Praxis das Personal dafür nicht gibt. Von Engpässen der Polizei wird viel geredet, von denen bei der Justiz nicht. Das ist nicht gut. Wie gesagt: Die gesetzlichen Möglichkeiten für beschleunigte Verfahren gibt es längst, aber die Staatsanwälte und Richterinnen, um diese Möglichkeiten zu nutzen, gibt es nicht. Das Instrumentarium, um auf die Taten schnell und effektiv zu reagieren, ist vorhanden; es gibt aber zu wenig Leute, um diese Instrumente virtuos zu handhaben. Und die Virtuosität der Politik, man muss es zornig beklagen, beschränkt sich leider darauf, die Silvesterrandale in eine Migrationsdebatte mit rassistischen Untertönen umzufunktionieren. Und was ist mit den geforderten Böllerverboten? Sie gehören in die Kategorie der nutzlosen „Machen-wir-schnell-mal-was-Gesetze“. Ein Böllerverbot kostet nix, es bringt auch nix. Verbote, die man nicht kontrollieren kann, sind sinnlos. Ich konnte die Böllerei auch ohne die gewalttätigen Exzesse nie besonders leiden. Aber es ist kein Grund dafür, ein Verbotsgesetz zu fordern, wenn man etwas nicht leiden kann. Wenn der Jahresschluss und der Anfang des neuen Jahres so gefeiert werden, als handele es sich um die exzessive Generalprobe für den Rosenmontag, empfand ich das schon in meiner Kindheit als Störung des Festlichen und des Feierlichen. Aber die krachende Gaudi zum Jahreswechsel ist keine Erfindung der Moderne oder der Postmoderne, sondern gehört durchaus zum Brauchtum. Im Voralpenland heißen die lärmenden Gestalten, wenn sie maskiert sind und wie wild Glocken schwingen, „Perchten“. Wenn sie unmaskiert, aber gleichwohl laut sind, heißen sie CSU und treffen sich zur Jahresauftakt-Klausur. Und wenn sie nicht in Oberbayern zusammenkommen, sondern in Stuttgart, wenn sie ihre Veranstaltung dort „Dreikönigstreffen“ nennen und dort danach trachten, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden, dann handelt es sich um die FDP.“ |